Hallo ihr Lieben,
wir haben es tatsächlich nach Penzance geschafft, aber diese Überfahrt wird uns definitiv lange in Erinnerung bleiben. Der Autopilot hat uns erneut im Stich gelassen – und zwar wieder einmal an einer Stelle, wo wir ihn am dringendsten gebraucht hätten. Diesmal war der Hydraulikarm das Problem. Nach dem ersten Schaden vor ein paar Wochen war er offensichtlich schon leicht verbogen und hat nun völlig versagt, weil die Dichtung an der Schubstange nicht mehr gehalten hat. Wir bemerkten den Schaden erst, als das gesamte Hydrauliköl unter dem Bett verteilt war und er seinen Dienst versagte – leider ist das Öl geruchsneutral, sonst hätten wir es vielleicht früher entdeckt.

Ein Ausfall mitten in der Dunkelheit
Die Überfahrt begann eigentlich ruhig, doch nach etwa drei Stunden von insgesamt geplanten zwanzig Stunden setzte der Autopilot plötzlich aus. Britti, die bislang nie seekrank war, wurde zum ersten Mal von Übelkeit erwischt und konnte mich dadurch nicht ablösen – ein denkbar ungünstiger Moment. Es war inzwischen Abend und ohne Mond stockdunkel – der Mond kam erst gegen 4 Uhr früh heraus. So blieb uns nur der Instrumentenflug, mit Kurs- und Windanzeige als einzige Orientierung. Das war ein Moment der Entscheidung: durchhalten oder umkehren?

Umkehren hätte eine lange Rückkreuzroute nach Milford bedeutet, da der Wind gedreht hatte und inzwischen aus Nordwestlicher Richtung kam. Auch ein neues Wetterfenster im Herbst zu finden, ist nicht einfach, und das Warten auf das nächste hätte uns Wochen kosten können. Wir waren jetzt ja schon fast 3 Wochen in Milford Haven. Nach Abwägen aller Optionen entschied ich, durchzuhalten und den Kurs Richtung Penzance zu halten. Wir wollten die Überfahrt schaffen und waren bereit, es durchzuziehen. Die Natur belohnte uns zumindest mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang bei der Ausfahrt aus Milford, den wir live auf YouTube geteilt haben. Schaut mal rein. (Zum Video) Und am nächsten Morgen wurden wir am südlichen Zipfel Englands mit einem spektakulären Sonnenaufgang überrascht – ein bisschen Seelenbalsam nach der anstrengenden Nacht.

Der Hydraulikarm – ein technisches Problem, das bleibt
In Penzance angekommen, konnte ich den Hydraulikarm endlich genauer unter die Lupe nehmen und die Folgen des ersten Schadens besser erkennen. Damals hatten wir den Ruderhebel notdürftig geschweißt – was ihn jetzt vermutlich stabiler macht als einen neuen. Doch als der Hydraulikarm beim ersten Vorfall in den Ruderquadranten fiel und ich versuchte, das Schiff auf Kurs zu halten, hat sich die Schubstange offenbar leicht verbogen. Dadurch hielt die Dichtung im Hydraulikarm nicht mehr richtig dicht. Mit der zusätzlichen Belastung verschlechterte sich die Situation über die Zeit, bis die Dichtung schließlich komplett versagte und das Hydrauliköl ungehindert austrat. Es verteilte sich im Raum unter dem Bett – und damit war unser Autopilot für diese Überfahrt endgültig außer Gefecht gesetzt.

Mein erstes Fazit? Genug Hydrauliköl auf Lager zu haben, wäre hier Gold wert gewesen. Mit ein wenig Reserveöl hätten wir die Überfahrt vermutlich ohne größere Probleme fortführen können. Es ist ja nicht so, dass ich vergessen hätte, Ersatzteile oder Flüssigkeiten aller Couleur an Bord zu haben – nur eben nicht das, was in diesem Moment am dringendsten gebraucht wurde. Das ist die Essenz von Murphy´s Law. Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.

Fischerstadt Newlyn – ein Vorteil für unsere Reparaturen
Aktuell sind wir in Newlyn, einem kleinen, lebendigen Fischerort direkt neben Penzance. Hier dominiert die Fischerei das Bild, was für uns aber einen Vorteil bringt: Alles, was wir für die Bootstechnik benötigen, ist in Reichweite. Ich habe den Arm ausgebaut und ihn in ein Fachgeschäft gebracht. Ein Techniker ist gerade dabei, die Schubstange und die Pumpe des Hydrauliksystems zu prüfen. Wir hoffen, dass ein einfacher Dichtungstausch und der Austausch der Schubstange das Problem lösen könnten, ohne die gesamte Einheit ersetzen zu müssen. Doch nach dem, was ich bisher gesehen habe, wird wohl ein komplett neuer Hydraulikarm nötig sein, um wieder sicher unterwegs zu sein – zu groß sind die Beschädigungen am alten Arm. Morgen Mittag wissen wir hoffentlich mehr und können dann entscheiden, wie es weitergeht.

Warten auf den richtigen Wind und das nächste Abenteuer
Für die nächsten Tage bedeutet das, dass wir voraussichtlich bis zum Wochenende in Newlyn bleiben müssen. Die Wartezeit passt uns allerdings gut, da der Wind diese Woche ohnehin wieder einmal aus der falschen Richtung weht – das scheint das Muster dieses Jahres zu sein. Ob es unsere Fahrt auf die Shetlands mit Wind und Welle von vorn war, die 18-stündige Etappe von den Orkneys nach Inverness, die wir ohne Wind komplett unter Motor zurücklegten, oder die lange Überfahrt von Nord- nach Südwales: Immer wieder mussten wir gegen den Wind ankämpfen. Und bei der Fahrt nach Holyhead hat der Autopilot ja schon das erste Mal versagt, was uns damals gezwungen hat, einen Pan-Pan-Notruf abzusetzen, um die Schiffe in unserer Nähe zu warnen und der Küstenwache zu signalisieren, dass wir ein Problem haben. Zum Glück konnte ich damals das Problem schnell finden und den Notruf zurücknehmen, sodass wir selbstständig nach Holyhead weiterfahren konnten. Die britische Seenotrettung RNLI war unglaublich hilfsbereit und hat sich auch im Hafen noch einmal bei uns gemeldet, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung war.

Delfine als Highlight auf der Überfahrt
Neben all den technischen Schwierigkeiten gab es aber auch ein echtes Highlight: die Delfine! Am frühen Morgen – oder es war schon Mittag – tauchten etwa fünf Delfine auf und begleiteten uns rund eine halbe Stunde lang vor dem südlichen Zipfel Englands. Sie sprangen in die Luft, schwammen unter dem Boot hindurch und spielten scheinbar mit uns, als wollten sie uns nach dieser anstrengenden Nacht ein wenig aufmuntern. Britti hat dabei großartige Videos gemacht – ich schicke euch unbedingt eines davon! Diese Momente sind es, die das Seglerleben so einzigartig und schön machen und für all die Herausforderungen entschädigen.

Unsere Pläne für die nächsten Tage
Jetzt heißt es für uns warten und schauen, was sich für den Autopiloten machen lässt. Falls wir tatsächlich einen neuen Hydraulikarm benötigen, wird das ein paar Tage dauern, aber es ist beruhigend zu wissen, dass wir in Newlyn gut versorgt sind. Und falls alles wie geplant klappt, werden wir spätestens im November nach Frankreich aufbrechen und uns im Winterlager einrichten. Dann werde ich Britti nach Lüneburg bringen, und ich freue mich schon darauf, meine Geschwister in Franken zu besuchen, bevor es zurück nach Frankreich geht. Ich nutze die Zeit, um am Boot zu arbeiten und ein bisschen Geld zu verdienen, damit wir nächstes Jahr wieder gut gerüstet in neue Abenteuer aufbrechen können.

Ein weiteres turbulentes Kapitel liegt hinter uns, und wir freuen uns, bald ein bisschen Zeit mit euch zu verbringen und all die Geschichten zu erzählen.

Bis dahin, und liebe Grüße!
Britti & Thomi