Ein Abenteuer auf den Shetlands – Unsere Überfahrt und erste Eindrücke
Der erste Morgen nach unserer bewegten Überfahrt nach Schottland, genauer gesagt nach Lerwick auf den Shetlands, beginnt. Wenn mich jemand jetzt fragen würde, was die Unterschiede zwischen der Ostsee und der Nordsee bis zur Grenze des Nordatlantiks sind, würde ich sagen: Alles ist anders. Es ist fast unglaublich, mit welchen Booten manche Leute diese Überfahrt unternehmen. Hier gibt es deutlich mehr über 40 Fuß große Yachten als in Skandinavien oder der Ostsee, was nach unserer jetzigen Erfahrung auch völlig verständlich ist. Die meisten Boote, die hier liegen, sind jedoch nicht bei diesen Bedingungen von Norwegen zu den Shetlands gefahren, sondern unter leichteren Bedingungen.
Die Überfahrt
Wir hatten fast die gesamte Zeit nicht unter 20 Knoten Wind und bis zu 30 Knoten Wind aus 60°, eine Restdünung von Süden und laut Seewetterbericht eine Windwelle von 1,7 Metern aus dem Norden. Da die Wellen ineinanderliefen, erlebten wir Wellen, die wir uns vorher nicht vorstellen konnten. Einige erreichten Höhen von 2,5 bis 3 Metern, vielleicht auch mehr, es war schwer einzuschätzen.
Nach etwa 40 Seemeilen wurde ich (Thomi) seekrank und war in meinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Aus unserer Erfahrung mit meiner Neigung zur Seekrankheit sprachen wir vorher darüber, ob wir nicht noch einmal einen kurzen Törn von Tangager nach Haugesund machen sollten, um dem vorzubeugen. Ich tat das ab. Ganz klar mein Foul. Doch zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass ich das ganze Jahr über keine Anzeichen von Seekrankheit hatte. Allerdings waren wir über eine Woche im Hafen von Tananger und fünf Tage davon mit einem Wohnmobil unterwegs. Glücklicherweise war ich kein Totalausfall und konnte die notwendigen Aufgaben auf meinem Boot noch bewältigen, aber der Preis dafür sind zwei Tage Erholung und ein deutlich merkbares schlechtes Körpergefühl. Der Verlust von Wasser im Körper ist deutlich spürbar. 35 Stunden ohne Flüssigkeit und Nahrung zehren stark.
Britti war nicht seekrank, fühlte sich aber auch nicht besonders gut. Die Strapazen einer solchen Überfahrt dürfen nicht unterschätzt werden. Konzentration, Kraft und Durchhaltevermögen sind essenziell.
Unser Respekt vor Menschen wie Micha und Antje von X-Trip Sailing oder Erik Aanderaa (NBJS) ist seit heute enorm gestiegen. Unser Trip nach Shetland war im Vergleich dazu wie Sonntagssegeln. Ein sehr sicheres und großes Schiff mit der Ausstattung, um solche Törns zu überstehen, ist mit meinem Schiff gegeben. Der Vorbesitzer Per sagte beim Kauf: „Das Boot kann viel mehr als du“. Jetzt weiß ich genau, was er meinte. Danke, Hallberg-Rassy, für dieses Kunstwerk von Segelboot. Schade, dass ihr in Ellös solche Boote nicht mehr baut.
Ob wir das noch einmal machen würden, sei dahingestellt. Erfahrungen sind vor allem dafür da, sie zu überleben und aus ihnen zu lernen.
Ankunft in Lerwick
Der Hafen in Lerwick ist rudimentär. Es gibt Strom, nur haben wir keinen, da wir im Päckchen liegen und alle Steckdosen belegt sind. Unsere installierte Stromgewinnung mit dem Windgenerator und den Solarzellen wird jetzt auf die Probe gestellt, da hier tendenziell mehr Wolken und Nieselregen herrschen. Wir haben sehr freundliche Nachbarn – vier ältere Herren aus Norwegen – und gemeinsam schafften wir das Anlegen ohne Beschädigung bei 26 Knoten Wind von der Seite. Ein neuer Meilenstein für uns, denn das zeigt, dass wir als Team gut funktionieren.
Nach dem Anlegen aßen wir eine Kleinigkeit und gingen schlafen. Es ist sehr laut hier, und der Schwell im Hafen ist beträchtlich. Auch der Wind, mit durchschnittlich 24 Knoten, macht sich bemerkbar. Zum Glück inzwischen mehr von vorne als von der Seite. Laut Windmesser 24 Knoten im Schnitt, gut für den Windgenerator, aber auch der ist deutlich hörbar. Laut meiner dB-App haben wir eine Geräuschkulisse von 50-60 dB. Durchgehend. Aber wir waren so erschöpft, dass wir wie Murmeltiere schliefen. Ach ja, wir gingen um halb acht ins Bett. Aber nicht in unsere Heckkabine, sondern ich schlief im Salon und Britti in einer der Gästekabinen. In der Heckkabine schlug das Wasser ab und zu laut an den Rumpf, was das Schlafen dort erschwerte. Wir wachten um 7:30 morgens auf. Als erstes trank ich einen Liter Wasser. Vor unserem Kaffee.
Der Hafenmeister ließ uns freundlicherweise schlafen und gab den Einreise-Fragebogen an unseren norwegischen Nachbarn weiter. Wir hatten diesen zwar schon online ausgefüllt, aber der Hafenmeister wusste das wohl nicht. Die Fragen beziehen sich auf Güter wie Fleisch, Milchprodukte, Alkohol und allgemein auf zu verzollende Mengen von allem. Auch Fragen zum Boot inklusive, ob es versteuert ist oder nicht. Eine skurrile Frage wie “Wollen Sie den Präsidenten erschießen?” kam glücklicherweise nicht vor. Es ist Sonntag, und auf den Shetlands ist nicht viel los. Bei unserem ersten Landgang fanden wir nur zwei Geschäfte: einen Souvenirshop und einen Boots- und Anglerzubehörladen, der heute (am Sonntag) offen hatte. Ich kaufte eine schottische karierte Tweed-Schiebermütze, aber die schottische Gastlandflagge war leider ausverkauft.
Erkundung von Lerwick
Lerwick ist wunderschön, selbst bei typischem schottischem Wetter oder gerade deshalb. Hier wird die TV-Show „Shetland“ gedreht, und wir entdeckten die ersten Drehorte. Es ist faszinierend, die Schauplätze aus der Serie in der Realität zu sehen und die Atmosphäre der Stadt aufzusaugen. Die Serie “Shetland” folgt den Ermittlungen des Detektivs Jimmy Perez, der in den rauen, aber wunderschönen Landschaften der Shetlandinseln Verbrechen aufklärt. Die dramatischen Küstenlandschaften und das raue Wetter tragen viel zur düsteren Atmosphäre der Serie bei.
Ein Stück vom Glück
Die Erlebnisse der letzten drei Jahre sind für mich wie ein ungeträumter Traum und unglaublich bereichernd. Ich wusste nicht, dass ich davon träumte. Das weiß ich jetzt erst, seitdem ich auf der Reise bin. Manchmal überkommt mich eine gewisse Melancholie, wenn ich an die letzten Jahre denke. Die vielen Abenteuer und Erfahrungen, die ich sammeln durfte, sind für mich ein wahr gewordener Traum. Jeder Tag auf See und jeder neue Hafen, den wir anlaufen, bringen neue Erlebnisse und Herausforderungen. Ein Zitat, das ich heute auf dem Seglerblog von Sailing Jera las, beschreibt es gut: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“ Obwohl ich mich selbst nicht wirklich mutig finde, kann ich mich jetzt ein bisschen mehr mit dem Wort Mut identifizieren. Mein Motto „Ein Stück vom Glück“ begleitet mich auf dieser Reise und erinnert mich daran, wie wertvoll jeder Moment ist.
Danksagung
In eigener Sache möchten wir uns bei unseren Patreons bedanken. Es sind noch nicht viele, aber sie motivieren uns, unsere Instagram- und YouTube-Videos zu erarbeiten. Auch wenn Social Media für viele nicht wie Arbeit erscheint, kann ich versichern, dass es Arbeit ist, nur sehr schlecht bezahlt. Wir wünschen euch weiterhin viel Spaß beim Lesen und Anschauen. Eine Spende über Patreon oder PayPal wäre eine feine Sache.
Vielen Dank und bis zum nächsten Mal!
Britti & Thomi